Mittwoch, 15. Januar 2014

Sozialtourismus

Das Unwort des Jahres: „Sozialtourismus“. Dieses (Unwort) diskriminiert Menschen, die aus purer Not eine bessere Zukunft suchen, und (es) verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu“, so die Begründung der Jury aus Sprachwissenschaftlern.
Da ist es erfrischend, dass Philipp Engel in seinem Kommentar vom 15.01.2014 in der GZ ein paar Sachen richtigstellt.
   Die CSU habe nicht ohne Erfolg Stimmung gemacht, schreibt er, weil die Ablehnung gegen mögliche Sozialflüchtlinge aus Rumänien und Bulgarien sicherlich weiter verbreitet sei, als die Realität legitimiere, wobei die Leute, die diese Meinung teilten, viel Gegenwind bekämen, insbesondere von liberalen Linken, die dabei einen arrogant wirkenden missionarischen Eifer an den Tag legen würden.
   Und: Besser wäre es, die Ängste der Menschen ernst zu nehmen.
Recht hat er. Nur scheint seine Kollegin Katrin Teschner auf der gleichen Seite das nicht recht ernst zu nehmen. Für sie ist die Debatte um die, aus ihrer Sicht „sogenannte“, Armutswanderung besonders irrational. Offensichtlich kommt es darauf an, von wo aus man auf das Problem guckt. Christian Ude, bekanntlich SPD Mitglied, hat als Präsident des Deutschen Städtetages gewarnt, dass in einigen Kommunen die Situation so außer Kontrolle geraten sei, dass auch eine Befriedung durch Geld nicht mehr helfe. Das Papier trägt die Überschrift: „Probleme durch Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien“ vom Februar 2013.
   Ich weiß nicht, aus welcher Sicht Frau Teschner im Moment argumentiert: Aus der Brüsseler oder Braunschweiger. Würde sie einmal nach Duisburg, Dortmund, Berlin-Neukölln oder in andere Problembereiche deutscher Großstädte fahren und dort ihren „Europa Blick“ zu diesem Thema abfassen, würde auch sie auf Quartiere mit hunderten von „Selbständige“ stoßen, deren Einnahmen, oftmals auch noch ausgebeutet, neben einem Hungerlohn ausschließlich aus Kindergeld bestehen, und zwar auch für Kinder, die nicht in Deutschland leben. Das waren 2013, also bereits vor Wegfall der Zuzugsbeschränkung, 32.575 Bürger dieser Länder.
   Schonungslos schildert eine Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft in ihrem Bericht, dass viele Städte die Probleme durch Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien nicht in den Griff bekommen. „In erheblichem Umfang sind die betroffenen Großstädte damit konfrontiert, dass eine Anzahl des besagten Personenkreises Scheingewerbe anmeldet, betteln geht oder insbesondere Frauen der Prostitution nachgehen, um Einkommen zu erzielen.“
   So sei der Anteil von Zuwanderern der beiden Länder in Duisburg von Ende 2010 bis Ende August dieses Jahres um 142 Prozent gewachsen. In Berlin wurden 80 Prozent mehr Bulgaren und Rumänen registriert, in Offenbach 71 Prozent mehr. Die Zuwanderung habe eine „Dimension erlangt, der mit eigenen Finanzmitteln dieser Städte nicht mehr zu begegnen ist.“
   Als Wohnungen würden „häufig Scheinadressen oder Massenunterkünfte angegeben, um ein Gewerbe anzuzeigen, Anträge auf Sozialleistungen zu stellen oder ein Konto eröffnen zu können“, heißt es in dem Papier weiter.
   Resigniert stellen die Experten fest: „Es wird teilweise die Aufnahme eines Gewerbes angezeigt, um die eingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Arbeitserlaubnispflicht sowie Sozialversicherungsbeiträge zu umgehen. In vielen Fällen besteht der Verdacht einer Scheinselbständigkeit und Schwarzarbeit sowie Zahlung von Dumpinglöhnen.“
   Das Problem: Bulgarien und Rumänien exportieren ihre Roma-Probleme und denken gar nicht daran, deren Situation mit EU-Mitteln im eigenen Land zu verbessern, und den Zuwanderern steht das Geld auch für Kinder zu, die gar nicht in Deutschland, sondern noch im Heimatland leben.
   So erhielten im Juni 2013 insgesamt 32 579 Bulgaren und Rumänen Kindergeld – 44 Prozent mehr als im Juni 2012. In einigen Großstädten ist der Anstieg der Kindergeldzahlungen deutlich höher. In Krefeld und Duisburg stiegen die Kindergeldzahlungen an Rumänen und Bulgaren sogar um 51,29 Prozent.
   Aber: 11,6 Prozent der Rumänen-Kinder und 4,6 Prozent der Bulgaren-Kinder, für die Deutschland bundesweit Kindergeld zahlte, lebten noch im Heimatland. Die Zahl könne bald stark ansteigen, befürchtet die Arbeitsgemeinschaft. Denn: Bei Polen liege die Quote der im Heimatland verbliebenen Kinder mit Leistungen aus Deutschland inzwischen 30,65 Prozent.
   Tröstlich, dass Frau Teschner noch darauf verweist, dass die sogenannte „Freizügigkeitsrichtlinie“, die den Anspruch auf Sozialleistungen seit 10 Jahren regelt, in allen EU-Ländern gilt. Dummerweise haben aber insbesondere die neuen und wirtschaftlich weniger betuchten EU-Länder damit keine Probleme, weil da keiner hin will, da niemand dort eine Chance sieht, ohne Arbeit so ein Sozialeinkommen zu erzielen wie in Deutschland.
   Laut Brüssel ist das alles Unsinn. Die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien nütze dem deutschen Wohlstand. Und aus dem Wörterbuch der Empörungspolitik und des Gutmenschen-Fundamentalismus werden zu diesem Thema dann auch reflexartig die Totschlagargumente: „Hetzte, Populismus, Stammtischbefriedigung, Stimmungsmache usw.“ ausgepackt.
   Diese versuchen nun mit großem Aufwand den Deutschen weis zu machen, dass es sich bei den Zuzüglern mehrheitlich um hochgebildete Fachkräfte handelt. Bisher haben 70.000 Menschen aus Bulgarien und Rumänien ihren Wohnsitz in Deutschland und bis Ende 2014 sollen es weitere 200.000 werden. Wenn die Mehrheit wirklich Ärzte und Ingenieure sind, muss man sich um das Gesundheitssystem und die Wirtschaft der beiden Länder ernsthaft Sorgen machen. So viele Ärzte und Ingenieure kann es dort gar nicht geben.
   Wenn dann noch der Europäische Gerichtshof feststellt, dass Deutschland einer achtköpfigen Roma-Familie Hartz-IV-Leistungen von rund 3000 Euro im Monat zu zahlen hat, wird das Auswirkungen auf alle Sozialschwachen in der EU haben, die dann in Deutschland ohne Arbeit durch Hartz-IV-Leistun­gen Einnahmen in einer Höhe haben würden, die sie durch Arbeit in ihren Heimatländern niemals erzielen würden. Dann spätestens wird das deutsche Sozialsystem endgültig kollabieren. 
Das Neueste vom 05.02. 2014: "Anstieg um das Doppelte. Immer mehr Armutszuwanderer bekommen Hartz IV"
zu lesen im Focus Online

Freitag, 10. Januar 2014

Hitzlsperger und die Normfrage

Auch in der GZ war/ist Hitzlsperger Thema des Tages, zu dem verschiedene Meinungen abgedruckt wurden.
   Reinhard Urschel  weist in einem Leitartikel der HAZ darauf hin, dass die  „New York Times“ von sich behauptet, sie drucke alle Nachrichten, die es Wert seien, gedruckt zu werden. Die Frage sei aber, welche Nachricht es wert sei, gedruckt zu werden und weshalb?
   Wäre es daher für die "New York Times" eine Nachricht, wenn  sich ein guter, aber nicht sonderlich populärer Fußballer nach Abschluss seiner Karriere zu seiner Homosexualität bekennt? Wahrscheinlich nicht.
   Anders in Deutschland. Dort würde dem Outing breitester Raum gewährt. Radio und Fernsehen hätten im Stundentakt berichtet, als habe ein politisches oder ein seismisches Beben die Erde erschüttert.
   Man müsse den Eindruck gewinnen, als gebe es in Deutschland nichts Wichtigeres als das sexuelle Befinden eines Thomas Hitzlspergers. Dabei dürfte bei dem Hype um dieses Thema eine wesentliche Rolle spielen, dass das Outing eines aktiven Fußballers von den Medien förmlich herbeigeschrieben und herbeigeredet würde.
   Folge man den Medien, seien angeblich in Deutschland gleichgeschlechtliche Vorlieben keineswegs anstößig und nur noch im Männerfußball ein Tabu.
   Kein Wunder, dass die Medien diese Auffassung verbreiten, wimmelt es doch dort und bei den von ihnen überproportional hoffierten Modeschöpfern, Spaßmachern, Friseuren, Fersehkommissarinnen, Fersehmoderatorinnen und Sonstigen aus dem Showbiz von Leuten, die  in entsprechenden Magazinen und Talkshows ihre gleichgeschlechtlichen Liebesbeziehungen ausgiebig darstellen dürfen und als mutige Vertreter ihrer Sache gefeiert werden.
   Urschel fragt meiner Meinung nach zu Recht, ob nicht vielleicht die Grundannahme falsch sei. Dass womöglich der Umgang mit schwulen Politikern, schwulen Künstlern, schwulen Medienschaffenden, Modeschöpfern, Friseuren und lesbischen Sportlerinnen gar nicht so entspannt ist, wie nach außen immer getan und von den Medien suggeriert wird. 
   Vielleicht habe nur der mediale Meinungsdruck dazu beigetragen, dass die Menschen lieber schweigen, als  ihr Unbehagen zu äußern. Nicht ihr Unbehagen darüber, dass Menschen schwul seien  und eine gleichgeschlechtliche Lebensform bevorzugen würden, sondern darüber, dass die sexuelle Orientierung einer schrillen Minderheit  der breiten Mehrheit ständig als besonders lebenswert eingehämmert werden soll.
   Nach Urschel sei es für viele Kommentatoren und so genannter Experten das Normalste der Welt, dass ein junger Mensch seine homosexuelle Neigung der Welt kundtut und er fragt, ob es nicht eher umgekehrt sei und es der Normalfall wäre, wenn darüber nicht auf Titelseiten und in Hauptnachrichtensendungen berichtet würde, weil es eben „normal“ sei.
Recht hat er.

Samstag, 4. Januar 2014

Alter Mann ?

Detlef Kühlewind in der GZ vom 04.01.2014
   Die GZ berichtete am 04.01.2014 unter der Überschrift : „Streitschlichter stirbt nach Sturz“ darüber, dass in Langelsheim ein 65 Jahre alter Mann bei dem Versuch, einen Streit zu schlichten, so unglücklich stürzte, dass er später im Krankenhaus verstarb. So weit, so tragisch.
   Zukünftig sollen bekanntlich 65-jährige noch im Berufsleben stehen und auch der Redakteur des Artikels, Detlef Kühlewind, wird sich mit diesem Gedanken langsam anfreunden müssen, da auch er bereits in der zweiten Lebenshälfte angekommen zu sein scheint. 
   Deshalb ist es für mich und meine Altersgenossen mehr als befremdlich, wenn „wind“ davon spricht, dass der „Senior“ am Montag verstarb und die Polizei nicht sagen will, wer „für den Sturz des alten Mannes“ verantwortlich sei. Herr Kühlewind, ich wünsche Ihnen, dass Sie mit 65 noch so fit sind, wie die allermeisten dieser Altersgruppe. 
   Es ist sicherlich eine Frage der Perspektive und man kann trefflich darüber streiten, ab wann jemand alt ist. Einen 65-jährigen öffentlich in der GZ als „alten Mann“ zu bezeichnen, ist jedoch an diskriminierendem Zynismus nicht zu überbieten.