Samstag, 25. Februar 2012

Sozialer Abstieg

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr brachte die GZ eine Reportage über Hartz-IV-Empfänger im Harz. Ich hatte schon damals den Redakteur Ralf Blasig auf Fehler hingewiesen. Offensichtlich ohne Erfolg. Nun, quasi als "Wiedervorlage", folgt wieder ein Artikel.
   Keine Frage: Einer Scheidung folgt im Regelfall ein sozialer Abstieg, und zwar für Frau, Mann und die Kinder. Ob es aber auch ein materieller Abstieg sein muss, kommt auf den Einzelfall und die Situation in der Ehe an.
   Dass Kinder mit Hartz-IV-Grundsicherung generell verarmen,  ist ein Mythos, der in der Journalistenwelt offensichtlich nicht auszurotten ist. Die Hartz-IV-Grundsicherung für Kinder ist nämlich um ein Vielfaches höher als das Kindergeld für Arbeitnehmer.
   Die GZ hat in ihrer Freitagsausgabe wieder eine Story veröffentlicht, die den Mythos der Harz-IV-Armut von Kindern  unterstreichen soll, die aber mit den beschriebenen materiellen Auswirkungen so nicht stimmen kann. Entweder ist der Artikel schlecht recherchiert oder die Autorin hat sich das Schicksal ihrer Anja S. aus den Fingern gesogen.
   Wenn die Musterfrau mit - wie im Artikel beschrieben - 4 Kindern auf dem Gymnasium von der Hartz-IV-Grundsicherung leben muss, steht sie sich wahrscheinlich besser, als wenn sie arbeiten müsste, zumal davon auszugehen ist, dass das jüngste Kind mindestens 12 Jahre alt sein muss. Dieses hätte auch die Autorin des Artikels durch einen Blick ins Gesetz, durch Rückfrage bei der Arbeitagentur oder, ganz banal, durch Benutzung eines ALG II-Rechners im Internet feststellen können.
   Die Musterfrau würde für sich 519,- Euro und für ihre Kinder 1124,- Euro Grundsicherung erhalten. Darüber hinaus erstattet Vater Staat die Miete für eine angemessenen Wohnung, die für eine 5-köpfige Familie 105 qm groß sein darf und übernimmt die Heizkosten. In diesem Fall wären das ca. 550,- Euro Miete und 100,- Euro Heizkosten. Die Vergünstigungen aus dem Bildungspaket, der Pauschale für schulisches Arbeitsmaterial, vergünstigte Tarife für Telefon, Fernsehen und öffentlichen Nahverkehr nicht einmal mitgerechnet.
   Im vorstehenden Fall erhielte Frau Muster für sich und ihre 4 Kinder 2313.- Euro. Da die Warmmiete von der Arbeitsagentur  übernommen wird, verbleiben der Musterfamilie auf jeden Fall ca. 1630,- Euro für die Lebenshaltungskosten und nicht, wie die Autorin versucht darzustellen, lediglich 800,- €, weil angeblich mehr als die Hälfte des von ihr festgestellten angeblich verfügbaren Einkommens von 1900,- Euro für die Miete fällig würde.
   Um die gleiche Summe zum Leben zu haben, müsste eine alleinerziehende Arbeitnehmerin einen Job haben, in dem sie bei  40 Arbeitsstunden/Woche in 4 Wochen mindestens 13,75 Euro pro Stunde verdienen müsste. Ein Gehalt, dass nicht gerade in den gängigsten Berufen gezahlt wird.  (Siehe auch Focus 08/12 – „Die Mindestlohn-Falle“).
   Während Arbeitnehmer  einen krisenabhängigen Job haben, ist das Einkommen von Hartz-IV-Empfängern zumindest krisensicher und wird unabhängig von Konjunkturschwankungen immer gezahlt.
   Außerdem erschließt sich mir nicht, wieso ständig von verarmten Hartz-IV-Kindern die Rede ist, wenn diese von Staat - wie im vorliegenden Fall -  eine Grundsicherung von 1140,- Euro erhalten, während Arbeitnehmer für ihre Kinder in vergleichbarer Situation lediglich 776,- Euro Kindergeld beziehen. Leben die Eltern von Hartz-IV-Kindern eventuell auf Kosten ihrer Kinder?
   Bevor meine vorstehenden Ausführungen als Hirngespinst abgetan werden, empfehle ich, einen Hartz-IV-Rechner und einen Brutto-Netto-Rechner zum Nachrechnen im Internet heranzuziehen.
Hier das Ergebnis:
Hartz IV,  Alleinerzieher, 4 Kinder
Arbeitnehm., Alleinerzieher, 4 Kinder
Regelleistung Antragstellerin 374,00 €
Gehalt brutto
2.200,00 €
Mehrbedarf Alleinerziehende 135,00 €
(4 Wo je 40 Std. = je 13,75 € Std.)
Grundsicherung Kind 18 Jahre 299,00 €
Kindergeld Kind 18 Jahre 218,00 €
Grundsicherung Kind 16 Jahre 287,00 €
Kindergeld Kind 16 Jahre 190,00 €
Grundsicherung Kind 14 Jahre 287,00 €
Kindergeld Kind 14 Jahre 184,00 €
Grundsicherung Kind 12 Jahre 251,00 €
Kindergeld Kind 12 Jahre 184,00 €
verfügbares Bareinkommen 1.633,00 €



+ Miete 105 qm angemessen 550,00 €
Miete
        Keine
+ Heizung
100,00 €
Heizung
        Keine
Gesamt
2.283,00 €
Gesamt
2.976,00 €


     Keine
./. Lohnsteuer Klasse II 239,41 €


     Keine
./. Rentenvers. 218,90 €


     Keine
./. Krankenv.
180,40 €


     Keine
./. Arbeitslosenvers. 33,00 €


     Keine
./. Pflegeversicherung 21,45 €
Abzüge gesamt      Keine
Abzüge gesamt 693,16 €
Nettoeinkommen incl. Miete 2.283,00 €
Nettoeinkommen incl. Miete 2.282,84 €
Ergebnis:
Um das gleiche Bareinkommen incl. Miete und Heizung von 2283,- € zu haben wie eine alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerin, mit 4 Kindern im Alter von 12 - 18 Jahren  muss eine alleinerziehende Arbeitnehmerin mindestens 2200,- € brutto oder 13,75 € pro Stunde plus Kindergeld verdienen. Macht zusammen ca.2976,- € !!!!!
Wie man bei diesen Fakten ständig die Litanei von den materiell verarmten Hartz-IV-Empfängern und deren Kindern wiederholen kann, bleibt mir ein Rätsel.

Zum Nachrechnen:
Hier Klicken zum ALG II –Rechner           

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